Komposition & Text Teil 2

    • Offizieller Beitrag

    Melodien


    Man kann nun erst die Harmonien festlegen und dazu eine Melodie suchen. Ich persönlich bevorzuge diese Methode, weil ich erst einmal die Harmonien auf mich wirken und Stimmungen erzeugen lasse. Andererseits können zu einer Melodie natürlich auch die passenden Akkorde gefunden werden, wobei für Anfänger diese Methode vermutlich schwieriger ist.


    An anderer Stelle habe ich schon einmal darauf hingewiesen, dass nach meiner Empfindung viele heutige Songs eher auf Rhythmus aufgebaut sind. Es herrscht in der Rockmusik offenbar ein Mangel an einprägsamen Melodien. Schade eigentlich. So kann es sicher nicht falsch sein, wenn sich eine junge Band einmal wieder um Melodien verdient macht. Wenn euer Material populär werden soll, wenn es also eure Zuhörer begeistern soll, so muss es für diese nachvollziehbar sein.


    Einige Hinweise:

    Je einfacher die Melodie ist, umso besser kann man sie behalten. Einfach muss nicht simpel bedeuten.

    Jeder Song sollte spätestens im Refrain eine sehr starke Hookline, einen Aufhänger, enthalten. Text und Melodie dieser Hookline werden oft wiederholt. Die Rolling Stones haben das vorzüglich vorgemacht bei Satisfaction, Brown Sugar, Jumpin' Jack Flash u.a.

    Melodien sind steigerungsfähig, indem man sie mehrstimmig anlegt. Das geht umso leichter, je einfacher die Melodienstrukturen sind.

    Einfache Melodien können auch leichter mit der Stimme dramatisiert werden. Sie sind vom Gefühl her leichter zugänglich. Beispiel: Sinhead O'Conner - Nothing Compares 2 U.

    Die Melodien der Strophe und des Refrains sollen einander ergänzen, nicht einander bekämpfen. Es ist unsinnig aus zwei Liedern eines zu machen.

    Viele Tagesschlager kränkeln daran (European-Song-Contest-Syndrom), dass sie erst mal lange Einleitungen brauchen, bis es zur Sache geht. Eine Melodie kündigt die nächste an, und dann kommt aus dem Nichts plötzlich ein Refrain daher. Vermeide es, in deinen Songs heiße Luft zu produzieren!

    Ebenso passen bei Liedern der o.g. Art die poppigen Rhythmen nicht zu den Inhalten und diese wiederum nicht zu den Melodien. Denke daran, dass nicht jeder Inhalt und jeder Rhythmus zu jeder Melodie passt. Stell dir mal Yesterday im Techno-Stil vor.

    Die Melodie eines Stückes hängt sehr von der Musikart ab. Heutige Discomusik ist primär rhythmusbetont zu Lasten der Melodien. Dass es auch anders geht, haben die Soul- und Funkmusiker gezeigt (Wilson Picket, Mother's Finest). Selbst wenn du also derartige Musik komponieren willst, musst du auf klare eingängige Melodiekürzel nicht verzichten. Bei Hard Rock haben Melodien in der Regel nur einen geringen Tonumfang. Die Töne kommen kurz und abgehackt. In Balladen sind die Melodien tonreicher, die Einzeltöne werden gebunden.

    Du willst mit deinem Song einen Inhalt, eine Geschichte, rüberbringen. Unterstütze das mit der Melodie.

    Text und Melodie bilden eine Einheit. Eine philosophische Abhandlung wird schwer mit einem Kinderlied in Einklang zu bringen sein. Umgekehrt wird sich eine Opernarie kaum mit einem Text wie "My baby, baby, balla balla" vertragen. Der Anspruch, den du an Text und Inhalt stellst, sollte sich auch in der Melodie ausdrücken. Als Beispiel fällt mir der Titel House With No Door von Van der Graaf Generator auf der LP "H to H..." ein. Da stimmt alles und erzeugt Gänsehaut.


    Text


    In hiesigen Texterkreisen - so scheint mir manchmal - wird oft so verfahren, dass bei deutschen Texten unbedingt der absolute Tiefsinn angesagt ist, während - sofern man in Englisch macht - die Zeile "Come on, baby" durchaus schon als zugkräftige Aussage gesehen wird. Ganz toll wird es, wenn deutsche Bands auf deutschen Bühnen ihre Ansagen in Englisch machen: "Du ju viel ohlreit?"


    Egal, in welcher Sprache man nun textet, es kann doch immer nur darum gehen, eine im Zusammenhang des Liedes glaubwürdige Aussage zu finden. Das muss nicht immer höhere Weihen haben, das kann durchaus blühender Unsinn sein, man muss es nur auch so verpacken und verkaufen.


    Genau wie bei der Melodie muss auch beim Text die zündende Zeile her, das heißt, die Hookline der Melodie ist gleichzeitig die Hookline des Textes, das, worauf sich alles im Song zuspitzt. Solche Zeilen kann man bewusst konstruieren (Handwerk), oft aber sind sie erst Auslöser, am Drumherum den Song zu basteln. Wenn man persönliche Erlebnisse hat, die man verarbeiten und den Mitmenschen mitteilen will - bitte. Aber nicht jeder Liebeskummer ist für Andere unbedingt hochinteressant.


    Mir geht es meist so, dass ich auf der Gitarre oder dem Klavier irgendwelche Akkordfolgen spiele und dazu irgend einen sinnlosen Text lalle. Plötzlich ist dann etwas da, das stimmt, ein Wort, eine Zeile. Das wird immer wieder gesungen, mit einer bestimmten Melodie verknüpft, und schon ist der Anfang eines neuen Liedes gefunden. Um diesen Anfang herum baut sich dann das Lied auf. Das kann sehr schnell gehen, manchmal in Stunden, manchmal arbeite ich auch mehrere Wochen daran. Oft empfiehlt es sich sogar, die Sache erst einmal beiseite zu legen, weil man vielleicht beim Text oder bei der Melodie in eine Sackgasse geraten ist.


    Wie baut man nun den Text auf? Nun, das kann sich aus dem beabsichtigten Inhalt ergeben. Eine Geschichte erzählt sich vielleicht ganz gut als fortlaufende Ballade. Oder ich erzähle die Story in Strophenform und komme beim Refrain zum Clou der Sache.


    Meiner Meinung nach muss ein Rocktext auch nicht auf Teufel komm raus reimen. I'm The Walrus von den Beatles reimt sich in keiner Weise und ist dennoch ein starker Song. Aber wenn Reim, dann doch bitte ein wenig gekonnt. Im Zweifel kann man sich mit einem Reimlexikon helfen (gibt's in Deutsch und Englisch). Bei englischen Texten ist ein Lexikon mit idiomatischen Redewendungen (Alltagssprache) sehr nützlich.


    Fazit: Bei Komposition und Text gilt, dass alles kann, aber nichts muss. Der Zwang ist der Tod der Kreativität

    Quelle: http://www.rockprojekt.de

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