Eine plattdütsche Ry-Cooder-Blaskapelle

  • Als ich am Samstag Abend in den "Brodelpott" zum Konzert des Duos "blau:" ging, war das zunächst eine Solidaritätsadresse. Ich kenne die beiden seit Jahren. Der eine - Günter Orendi - ist mitverantwortlich dafür, dass ich mit Anfang vierzig wieder anfing, Musik zu machen. Den anderen - Werner Wilms - sieht und hört man auf Blues-Sessions als ausgefuchsten Slide-Gitarristen.
    Aber ich wußte auch, dass die beiden, wenn sie sich zusammen tun, immer für eine Überraschung gut sind.
    So war es dann auch. Zu hören war Country-Blues mit bluegras- und cajun-Einflüssen. Das klingt noch nicht so ungewöhnlich, aber es war schon das Unspektakulärste, was es von diesem Abend zu berichten gibt. Über diesen sehr akustisch gehaltenen Teppich legten die beiden Plattdeutsches, Selbstgeschriebenes. Zwischen den Songs wurde auf witzige Art und Weise einiges "übersetzt" und erklärt, so das auch ich als "Zugezogener" sehr schnell begriff, wie feinsinnig und doppelbödig das "Plattdütsche" ist. Wobei die beiden eine bestimmte Form des "Friesenplatts" bevorzugten und meinten, wenn Bremen schon seine Eigenständigkeit aufgeben müsse, so solle es nicht Niedersachsen sondern Ostfriesland zugeschlagen werden. Der Sprachpflege wegen.
    Orendi war an diesem Abend ein wahrer Multiinstrumentalist: er saß auf einer Cachon, einer kistenartigen Trommel, die mit den Händen bearbeitet wird, spielte mit den Füßen bassdrum und hihat und blies ein Instrument, dass in seinem Innern über 12 (!) Meter Luftweg verfügt: ein Sousaphone. Das ist eine Art Monster-Tuba mit einem Schallloch, in das man junge Hunde werfen könnte. Außerdem sang er - wenn der Mund mal frei war - stets die 2.Stimme.
    Und er bediente dieses Instrumentariums so ausgewogen, dass niemals das Gefühl einer soundmäßigen Übermacht gegnüber dem feinen Slidegitarrenspiel von Werner Wilms entstand. Auch das Instrument, dass dieser viel benutzte, sieht man nicht so häufig: eine silberne "Grand National style O"-Resonatorgitarre.

    Ich hänge - weil es so schön ist - das "zweisprachige" Bandinfo an.
    Wer Ungewöhnliches mag, sich für "lokale" Weltmusik interessiert. ist bei den beiden gut aufgehoben.

    blau:
    de anner Klör för plattdütsche Musik

    Österreich hat Hubert von Goisern, Köln seine Dialekt-Rocker – nur Norddeutschland tut sich schwer, seine regionalen kulturellen Traditionen mit der musikalischen Weltsprache des Rock und Blues zu verbinden.
    Gerade die Farbigkeit des Plattdeutschen, das ja kein Dialekt, sondern eine eigenständige Sprache ist, gerade die Weite der norddeutschen Landschaft und die traditionelle Weltoffenheit der Region haben tatsächlich vielfältigen Bezug zu dieser Musik.

    Wichtige Ursprünge des Blues, des Jazz und der Rockmusik liegen in den U.S.-Südstaaten, z.B. im Mississippi-Delta, in den Sümpfen Louisianas und in der Stadt New Orleans, in einer Küstenlandschaft, die Überschwemmungen und heftige Stürme kennt. Und das ist bei weitem nicht die einzige Parallele zur norddeutschen Wasserkante. Zwar gab es in Norddeutschland weder die sprichwörtlichen Baumwollfelder noch die Ausbeutung schwarzer Sklaven, aber die Lebensumstände eines Moorköters im Fehn oder eines Deicharbeiters in der M***** waren nicht sehr weit von denen der armen Landbevölkerung im Süden der U.S.A. entfernt. Eine Musik, die diese amerikanischen Verhältnisse in sich aufgesogen hat, geht deshalb erstaunlich zwanglos mit Texten über die kleinen Leute hierzulande, gesungen in deren Sprache Plattdeutsch, zusammen.


    „Spöl mit´t Hart, sing van dien Leven,
    dat hett bi di doch ok all harde Tieden geven!“*)


    Als Elvis Presley in Bremerhaven vom Truppentransporter an Land ging, hatte die afro-amerikanische Musikkultur längst angefangen, sich in Deutschland zu verbreiten und nachfolgende Musikergenerationen entscheidend zu beeinflussen. Auch uns, den Gitarristen und Sänger Werner Willms und den Schlagzeuger und Tubaspieler Günter Orendi, hat dieser Virus früh befallen und nicht mehr losgelassen.

    Vielfältige Einflüsse vom Folk-Blues über Cajun, TexMex bis hin zu hawaiianischen Klängen und gelegentlichen Reggaebeats – also eigentlich unseren ganzen musikalischen Background aus drei Jahrzehnten – bringen wir nun mit der Sprache des Landes und der Leute im Norden zusammen, einer Sprache, mit der wir aufgewachsen sind. Es ist eine Verbindung, die stimmig ist, trägt und uns immer neue Facetten der Sprache entdecken läßt.

    In der ländlichen Region groß geworden, leben und arbeiten wir heute in der Stadt, wo das Plattdeutsche im Alltag wenig präsent ist. War Plattdeutsch bis ins 16. Jahrhundert hinein sogar Amtssprache; wird es heute häufig nur noch mit Komödienstadl oder z.B. Blödelrockern verbunden. Doch langsam entwickelt sich wieder eine eigene, selbstbewußte regionale Identität, zu der selbstverständlich auch die plattdeutsche Sprache gehört.

    Es liegt in der Natur der Sache, daß wir unsere Texte selbst schreiben.
    Sie handeln von Alltagserfahrungen zwischen Lieben und Leiden, Lust und Last, Langeweile und Lebendigkeit, Landschaft und Lokalkolorit und dem Los der „lüttjen Lü“.

    Musikalisch setzen wir auf Eigenkompo-sitionen, in einigen Fällen übertragen wir aber auch Klassiker, die wir mögen, neu ins Plattdeutsche - wie Taj Mahal´s „Cakewalk Into Town“ (Mien Week) oder Steve Miller´s „The Joker“, (De Lawaimaker). Man wird uns, meint der Kritiker,

    „....sicher nicht zu nahe treten, wenn man behauptet, ein wenig habe der große Taj Mahal, und zwar in seinen beseelten Dialogen mit dem Tuba-Virtuosen Howard Johnson, Pate bei ihrem Projekt gestanden. Schließlich gehört mit „Cakewalk into Town“ einer von Mahals Lieblingen zum festen Repertoire der flexiblen Band, die... mal akustisch, mal verstärkt auftreten kann.“ (Christian Emigholz im Weser-Kurier am Sonntag, 23.2.03)
    Unsere Musik ist handgemacht - mit einer großen Bandbreite von Instrumenten in ungewöhnlicher Kombination; von der Akustik-Gitarre über National Steel und elektrischer Slidegitarre bis hin zu Sousaphone (Tuba), Cachon und Schlagzeug.

    Gelegentlich unterstützt von befreundeten Gastmusikern, mit dem ganzen Hintergrund langjähriger professioneller Bühnenpraxis, möchten wir live auf der Bühne keinen Zweifel aufkommen lassen:
    Plattdeutsch ist nicht nur Klamauk oder Seefahrerromantik – und Tuba wird nicht nur im Dixieland gespielt!
    Hier wird gegroovt und gerockt oder auch mal ein akustisches Slidegitarrensolo zelebriert, um ohne Schnörkel und falsche Sentimen-talität zu zeigen, daß Plattdeutsch eine lebendige Sprache und Kultur ist:

    „Dat gifft genoog wat Du noch doon kannst – kiek Di um!
    Dat gifft genoog wat Di verquer geiht – wees nich stumm!
    Dat gifft genoog wat Di ok argert – wees nich vergrellt!
    Dat gifft genoog för Di an’d Leevde – in de Welt !“*)

    Unsere Besetzung:
    Werner Willms (Lead Vocals, Gitarre, Slidegitarre) und
    Günter Orendi (Tuba, Schlagzeug, Percussion, backing vocals).


    blau:
    de anner Klör för plattdütsche Musik

    In Österriek hebbt se Hubert von Goisern, in Köln singt se all lang Rockmusik mit Dialekt, man blot in Norddütschland lett dat stuur, so een Verbinnung van de kulturelle Tradition in uns Gegend mit de Weltsprak van d´Rock- un Bluesmusik daan to kriegen.
    De mennig Klören in Plattdütsch, wat ja kien Dialekt, man een egen Spraak is, dat Wiede in de norddütsche Landschaft, de Openheid tegen de Welt, de in de Region gang un geve is – all dat hett völ to doon mit disse Art Musik.

    De Blues, de Jazz un ok de Rockmusik kummt to´n groot Deel her van d´U.S.-Südstaaten, van´t Mississippi-Delta, van de Sumpen in Louisiana un van de Stadt New Orleans; van een Küst, waar dat ok Overswemmens un hevig Störms gifft, just so as ok an de norddütsche Waterkant. Boomwullfelden un dat Utpovern van afrikaansche Slaaven hett dat in Norddütschland wall nich geven, man dat Leven van een Kolonist in´t Fehn of van een Dieker in d´M***** maakt seker kien groot Unnerscheed to dat Leven van de arm Lü van´t Land in d´Süden van d´ U.S.A.
    Een Musik, de sükse Verhältnisse in Amerika in sük upnahmen hett, de is ok för Texten över de lütje Lü hier bi us, sungen up Platt, heel good to bruken.


    „Spöl mit´t Hart, sing van dien Leven,
    dat hett bi di doch ok all harde Tieden geven!“*)


    As Elvis Presley in Bremerhaven van d´Truppentransporter an Land gung, daar weer de afro-amerikanische Musikkultur all daarbi, sük in Dütschland uttobreden, un dat weer in de Tied för mennig junge Muuskanten van een besünner Belang.
    Ok uns beiden, de Gitarrist un Sänger Werner Willms un de Schlagzeuger un Tubaspeeler Günter Orendi, hett disse Virus faat kregen, un de is noit mehr van uns weggahn.


    Dat sünd nu all dartig Jahr, dat wi Musik makt, un all wat wi in disse Tied lehrt un entwickelt hebbt, dat heele musikalische Programm van Folk-Blues un Cajun, TexMex un Hawaii un ok mal een Reggae – dat kriegt wi nu binanner mit de Spraak van´t Land un de Lü in´d Nörden, kannst ok seggen mit de Spraak, waar wi mit upwussen sünd. Wi meent, dat löpt heel good mit düsse Verbinnung, un de hölpt uns, alltied nieje Sieden van d´Spraak uttomaken.

    Upwussen sünd wi up´t Land, man vandaag
    levt un arbeid wi in de Stadt, waar Plattdütsk in d´Olldag heel minn brukt waard.
    Bit to´t 16. Jahrhunnert is Plattdütsk hier bi uns ja de Amtsspraak west, man upstünds hört dat faken blot noch de „Komödienstadl“ of Blödelrockers to.
    Man sachtjes kummt daar nieje Ideen up, van wat för een Belang de Region för eere
    Minschen is, un daarto hört ok de plattdütske Spraak, dat versteiht sük.

    Dat versteiht sük ok, dat wi uns Texten sülvst schrievt.
    Daarin geiht dat um de Olldag, um Levde un Leed, Lüst un Last, Langewiel hebben un lebennig wesen, Landschaft un de Stimmung, um dat Schicksal van d´lütje Lü.

    Dat mehrste van uns Musik schrievt wi ok sülvst, man dat kummt ok vör, dat wi een „Klassiker“, de wi mögt, in Platt översett, to´n Bispill „Cakewalk Into Town“ van Taj Mahal (heet bi uns: Mien Week) of „The Joker“ van Steve Miller (heet bi uns De Lawaimaker). Een van de Zeitung hett mal över uns schreven: (Man wird uns......)
    „....sicher nicht zu nahe treten, wenn man behauptet, ein wenig habe der große Taj Mahal, und zwar in seinen beseelten Dialogen mit dem Tuba-Virtuosen Howard Johnson, Pate bei ihrem Projekt gestanden. Schließlich gehört mit „Cakewalk into Town“ einer von Mahals Lieblingen zum festen Repertoire der flexiblen Band, die... mal akustisch, mal verstärkt auftreten kann.“ (Christian Emigholz im Weser-Kurier am Sonntag, 23.2.03)
    Uns Musik makt wi van Hand – wi spölt een heel Bült van Instrumenten, de een nich faken tosamen hören kann; dat geiht van de Akustik-Gitarre un de National Steel, de elektrische Slidegitarre bit hen to dat Sousaphone (Tuba), Cachon un Schlagzeug.

    Of un an hebbt wi noch Frünnen as Gastmusikers daarbi, de uns bistahn, wenn wi mit uns heele Erfahrung up de Spöldeel gahn, um´t jo to wiesen:

    Plattdütsk is nich blot Rummel of Seemanns-romantik – un Tuba warrt nich blot bi d´Dixieland spölt!
    Hier geiht de Musik los, hier gifft dat ok mal een Slidegitarrensolo, un hier warrt sünner Kitsch un gaar nich lögenhaftig wiest: Plattdütsk is een lebennig Sprak un Kultur:


    „Dat gifft genoog wat Du noch doon kannst – kiek Di um!
    Dat gifft genoog wat Di verquer geiht – wees nich stumm!
    Dat gifft genoog wat Di ok argert – wees nich vergrellt!
    Dat gifft genoog för Di an’d Leevde – in de Welt !“*

    Kontakt:
    Günter Orendi, Hastedter Heerstr. 117; 28207 Bremen; Tel: 0421-441829
    orendi_bremen@yahoo.dehttp://www.blau-musik.de siehe auch: http://www.g-orendi.de
    *) aus dem Text:“Spöl mi een plattdütschen
    Blues“ von Werner Willms

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