Komposition & Text Teil 1

    • Offizieller Beitrag

    Kompositon & Text


    Eine wichtige Frage im Bandgeschäft ist immer: "Was spielen wir denn ?" Natürlich werden die absoluten Neulinge sich zunächst an ihnen bekannten Stücken üben. Aber auch Könner entschließen sich oft bewusst, die Oldie-Masche zu stricken oder Songs zu covern. "Covern" bedeutet nachspielen, aber in einer eigenen musikalischen Art, unterschiedlich von der des Originals. Als Beispiele seien hier Rod Steward und einmal mehr Joe Cocker genannt, die ausschließlich fremdes Material verwenden.


    Aber irgendwann kommt bei jeder Band der Tag, an dem ein Mitglied mit ein paar Akkordmustern auf einen Song hinarbeitet oder jemand eine eigene Textidee vertont haben möchte. Es gilt also zu überlegen, ob neben dem bisher Geübten auch eigene Songs angesteuert werden sollen, oder ob gar das Programm überwiegend damit gestaltet werden soll. Ich kann jede Band nur ermutigen, beide Wege zu gehen. Einmal also - besonders am Anfang mit fremden Material - die eigenen technischen Fähigkeiten zu erlangen und zu erweitern, zum anderen aber eigene Einfälle auszuprobieren.


    Dass einem nicht auf Anhieb eine genialische Komposition á la Yesterday gelingt, dürfte wohl jedem Musiker klar sein. Tröstlich mag allerdings der Gedanke sein, dass dieser Megaseller aus der Feder Paul McCartneys unter dem Arbeitstitel "Spiegelei" entstand. Es wird eben überall mit Wasser gekocht.

    Überhaupt ist das Texten und Komponieren eines Liedes mit viel Arbeit und Fleiß verbunden. Zwar hat man hier und da mal eben eine auslösende Textzeile oder ein Melodiefragment gefunden, aber zur Ausgestaltung einer kompletten Komposition reicht das lange nicht. Dazu ist regelrechtes Handwerk nötig, das man erlernen muss. Schließlich soll der Song ja auch nach euch klingen und nicht nach der Band XY, die ihr gerade besonders verehrt. Denn das ist häufig die Kehrseite der Medaille: Tageseinflüsse fließen oft in die Werke junger Bands ein, sodass eine eigene Linie nicht erkennbar wird.


    Songstrukturen

    Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Genauso sinnvoll ist die Frage, ob zuerst Komposition und dann Text oder umgekehrt. Es gibt grundsätzlich keine Rezepte, jeder sollte es so machen wie es ihm gerade gefällt. Oft hat man eben ein tolles Riff oder eine eingängige Akkordfolge per Zufall entdeckt, ebenso oft kommt einem irgendeine denkwürdige Textzeile in die Finger, an der sich eine Weiterarbeit lohnt. John Lennon hat berichtet, dass der Auslöser für das Lied "A Day In The Life" auf dem Sergeant Pepper-Album der morgendliche Blick in die Tageszeitung war.


    Zufälle sind es eigentlich, die einem die besten Einfälle bringen. Aber wenn die zündende Idee dann da ist, muss man an ihr feilen. Bleiben wir zunächst einmal bei der Komposition.


    Im Grunde kann ein Song nach Belieben gestaltet werden, wenn er nur in sich schlüssig und rund wirkt. Aber es gibt bestimmte Muster, auf die man in der Popmusik immer wieder zurückgreift, weil sie sich besonders bewährt haben.

    Am einfachsten ist es, auf das bekannte Bluesschema zurückzugreifen. Damit hat man eine feste Struktur, die man nur noch instrumental und vokalistisch ausgestalten muss. Viele Welthits sind aus diesem Schema entstanden. Alles, was irgendwie mit Rhythm & Blues, Rock'n'Roll oder Soul zu tun hat, kann die Nähe zum Blues nicht verleugnen.


    Der nächste Schritt wäre, sich einmal ein paar sehr bekannte Titel anzuhören. Ihr werdet merken, dass sie vermutlich deswegen solchen Erfolg hatten oder haben, weil sie übersichtlich sind. Man kann sie gut durchschauen.


    Muster 1

    Über einem ständig wiederholten Riff oder einer Bassfigur liegt eine eher erzählende als singende Stimme. Die Dramatik kommt über den Inhalt und die Art der Vermittlung. Beispiel: Walk On The Wilde Side - Lou Reed. Dieser Song ist in seiner minimalisten Art fast unnachahmlich. Merkmale: Spannungsbogen, ständig wiederholte (ostinate) Bewegung, z. B. im Bass.


    Muster 2

    Nach einer kurzen Einleitung geht's direkt in die balladenhafte Strophe, die ständig wiederholt und gesteigert wird, wodurch die Spannung des Liedes aufgebaut wird. Zwischen den Strophen befindet sich eine kurze Verbindung (Bridge). Sparsame Verwendung von Harmonien. Beispiel: Lady in Black - Uriah Heep. Merkmale: Einleitung, Strophe, Bridge, gesteigerte Strophe, Bridge usw.


    Muster 3

    Jeweils eine Strophe (A) wechselt mit einem deutlich erkennbaren Refrain (B) ab. Das Muster würde also, mit den Großbuchstaben bezeichnet, A-B-A-B usw. sein. Das Harmoniegefüge kann dabei von sehr schlicht bis hochkompliziert gestaltet werden. Beispiele: Get Back - Beatles / Ruby Tuesday - Rolling Stones (beide relativ einfach). Merkmale: Strophe, Refrain, Strophe, Refrain usw.


    Muster 4

    Nach zwei Strophen (A) kommt der Refrain (B), dann eine Strophe und Refrain, danach eine Bridge (C) als Überleitung zum Solo (D), anschließend wieder von Anfang an: A-A-B-A-B-C-D-A-A-B. Beispiel. Viele bekannte Rockballaden und annähernd Something - George Harrison. Merkmale: Strophe, Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Bridge, Solo.


    Diese Muster sind natürlich nur Vorschläge, sie sind in jeder Form variierbar. Letztendlich entscheidet der Komponist, was seinem Lied am besten dient.

    Harmonien


    Natürlich folgen die Harmonien, die du in deinem Song verwendest, der Stimmung, die du erzeugen willst. Reine Dur-Akkorde passen kaum zu einem langsamen, traurigen Liebeslied, während der Heavy-Metall-Abräumer mit verminderten Septakkorden schlecht bedient ist.


    Verblüffend ist auch die Erfahrung, die man mit derselben Harmoniefolge machen kann, wenn man sie einmal sehr schnell und einmal sehr langsam spielt. Das Tempo des Songs beeinflusst die Wirkung. Auch die Taktzahl und der Zeitpunkt des Wechsels trägt zum Charakter bei.


    Beispiel 1

    Spiele die folgenden Akkorde sehr langsam. Zähle im 4/4-Takt mit:


    Am G D
    1 2 3 4 1 2 3 4


    Beispiel 2

    Spiele dieselben Akkorde in sehr schnellem Tempo (achte auf den Wechsel):


    Am G D Am G D
    1 2 3 4 1 2 3 4


    Insgesamt ist es wichtig, innerhalb der Komposition Harmonien zu verwenden, in deren Bereich ihr in der Band auch singen könnt. In der Regel bleibt man im Bereich einer Oktave und baut seinen Song um eine Tonart herum auf. Viele populäre Kompositionen sind zum Beispiel in C-Dur geschrieben. Das ist übrigens eine Tonart, die die Keyboarder sehr gern haben. Bei C bieten sich sofort F (Subdominante), G (Dominante) und Am (parallel Moll) als weitere zu verwendende Akkorde an. Daraus kann man schon schöne Folgen basteln. Aber auch Em und C7 liegen nahe.


    Manchmal ist es ganz nützlich, wenn nicht der erwartete Auflösungsakkord kommt. Bei Jeff Beck finden sich oft überraschende Lösungen. Er spielt etwa einen Song in E-Dur. Beim Wechsel erwartet das Ohr die Dominante H, tatsächlich kommt aber die verminderte Quinte, nämlich B. Eine solche Veränderung kannst du aber nur wählen, wenn du stilistisch so sicher bist, dass sich das Ganze nicht gezwungen anhört und dass deine Komposition ohne Brüche verläuft.


    Ein weiterer interessanter Kompositionstrick ist der so genannte Halbtonsprung. Er dient der Steigerung des Werkes und wird meist am Ende des Liedes eingesetzt. Nehmen wir an, ein Refrain wird mit Akkorden C-G-F begleitet und einmal gesungen. Bei der anschließenden Refrainwiederholung wird das Ganze um einen Halbtonschritt höher gespielt. Wenn du es einmal ausprobierst, merkst du sofort, dass darin eine deutliche Steigerung liegt.

    Wenn du noch mehr Einblicke in die Wirkung von harmonischen Zusammenfügungen bekommen willst, dann kann ich dir nur raten, dir einmal ein Songbook von den Beatles (Beatles Complete) zu kaufen. Hier findest du sicher alle Schwierigkeitsgrade, die in der Popmusik möglich sind. Da gibt es allereinfachste Kinderlieder und schwierigste Songstrukturen mit zum Teil sehr ungewöhnlichen Harmonien, auf die man von sich aus vielleicht gar nicht kommen würde. Auch der Akkordwechsel ist bei Beatles-Liedern beispielhaft. Da wird teilweise auf jede Silbe eine Harmonie gelegt. Selbst wenn dich die Beatles nicht interessieren, du kannst auf alle Fälle einiges lernen und abgucken.

    Und schließlich: Auch die Akkordfolgen der Songbooks können für deine eigenen Kompositionen anregend sein. Es kann dir niemand verwehren, eine schöne Akkordprogression - sagen wir von Dire Straits - herzunehmen und darüber eine eigene Melodie zu legen. Auf Akkorde und Akkordfolgen gibt's kein Copyright. Allerdings sollte dein Lied dann schon ein wenig anders klingen. Oder spiel doch mal eine solche Akkordfolge in umgekehrter Reihenfolge, also rückwärts.


    Machen wir uns nichts vor: Alle Komponisten schielen allerorten nach Anregungen, ein paar werden auch beim Klauen erwischt (George Harrison - My Sweet Lord). Das war früher schon so. Auch Mozart hat danach Ausschau gehalten, was die Kollegen so machen und so manches Thema auf seine Art variiert.

    Quelle: http://www.rockprojekt.de

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